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Auch die Flucht vor der Polizei kann Widerstand gegen die Beamten sein!

OLG Hamm, Beschluss vom 24.10.2024, AZ 4 ORs 57/24

Das Oberlandesgericht Hamm hatte zu entscheiden, ob die Flucht anlässlich einer Polizeikontrolle auch als Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte gelten kann. 

Dem Verfahren lag ein Sachverhalt zugrunde, bei dem der Angeklagte nach dem Konsum von Alkohol und Kokain mit seinem Kraftfahrzeug unterwegs war. Nach einer zunächst unauffälligen Fahrt geriet er in eine Polizeikontrolle. Anstatt der Aufforderung „Stopp Polizei“ Folge zu leisten, entschloss er sich zur Flucht. Daraus entwickelte sich eine wilde Verfolgungsjagd, die etwa 20 Minuten dauerte. In deren Verlauf überschritt der Angeklagte nicht nur mehrfach die zulässige Höchstgeschwindigkeit, sondern kollidierte auch mit dem verfolgenden Polizeifahrzeug, gefährdete andere Verkehrsteilnehmer und missachtete die von ihm errichtete Straßensperre. Zudem wurden zwei Polizeifahrzeuge in einen Wildunfall verwickelt. Die Fahrt endete, als der Angeklagte nach mehreren Kollisionen schließlich versuchte, das Fahrzeug zu Fuß zu verlassen, kurz darauf aber festgenommen wurde.

Entscheidend war die Beantwortung der Frage, ob die Flucht, also der Versuch, sich der Festnahme zu entziehen, als Widerstandshandlung gewertet werden kann.

Auch wer flieht kann sich widersetzen!

Am Ende kam das Gericht zu folgendem Ergebnis:

  1. Vereitelt der Täter im Rahmen einer Fluchtfahrt vor der Polizei in dem Willen, einen Zugriff der ihn verfolgenden Beamten zu verhindern, eine Vielzahl von Anhaltebemühungen und Überholversuchen der eingesetzten Polizeibeamten, kommt es im Verlauf der Verfolgungsjagd zu mehreren (Beinahe-)Unfällen des Fluchtfahrzeugs zum Nachteil der ihn verfolgenden Streifenwagen wie auch zu Lasten anderer Verkehrsteilnehmer und steuert der Täter letztlich sein Fahrzeug mit der Folge einer – durch einen Insassen des Streifenwagens körperlich empfundenen – Kollision in Richtung eines der ihn verfolgenden Polizeifahrzeuge, liegt ein Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte im Sinne einer – die weiteren im Verlauf der Fahrt begangenen (Verkehrs-)Delikte umklammernden – natürlichen Handlungseinheit vor.
  2. Für die Annahme des subjektiven Tatbestandes des § 113 Abs. 1 StGB ist es nicht erforderlich, dass sich der Täter gegen die Insassen des Streifenwagens in ihrer Eigenschaft als Polizisten wenden will oder die Kollision absichtlich herbeiführt. Vielmehr ist eine (bedingt) vorsätzliche Widerstandsleistung bereits dann zu bejahen, wenn der Täter die infolge seiner Lenkbewegung eingetretene Gewalteinwirkung als aus seiner Sicht notwendiges Zwischenziel anstrebt, um seine Flucht fortsetzen zu können.
  3. Ein tätlicher Angriff i. S. v. § 114 Abs. 1 StGB ist eine mit feindseligem Willen unmittelbar auf den Körper des Beamten oder Soldaten zielende Einwirkung. Eine körperliche Berührung oder auch nur ein darauf zielender Vorsatz des Täters ist nicht erforderlich. Jedenfalls kann eine objektiv gefährliche, verletzungsgeeignete Handlung auch dann, wenn der Täter keinen Verletzungsvorsatz hat, ein tätlicher Angriff sein. (Anschluss an Senatsbeschluss vom 12.02.2019, Az. 4 RVs 9/19 und Senatsurteil vom 10.12.2019, Az. 4 RVs 88/19). Die Annahme einer solchen objektiv gefährlichen, verletzungsgeeigneten Handlung liegt auf der Hand, wenn der Täter im Rahmen einer Verfolgungsfahrt mit mehreren, mit hoher Geschwindigkeit teilweise sehr nah nebeneinander fahrenden Fahrzeugen, sein Fahrzeug in Richtung eines Streifenwagens steuert.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass Fälle der Polizeiflucht von § 315d StGB erfasst werden, sofern festgestellt werden kann, dass es dem Täter darauf ankam, die höchstmögliche Geschwindigkeit als notwendiges Zwischenziel für eine erfolgreiche Flucht über eine nicht ganz unerhebliche Wegstrecke zu erreichen (vgl. zum Ganzen BGH, Beschl. v. 29.04.2021, Az. 4 StR 165/20; Beschl. v. 17.02.2021, Az. 4 StR 225/20, jeweils. mwN.).

 

Übrigens

Die Flucht vor der Polizei kann nicht nur als Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, sondern auch als verbotenes Fahrzeugrennen im Sinne von § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB gewertet werden (vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 04.07.2019, Az. 4 Rv 28 Ss 103/19.

Unabhängig von den strafrechtlichen Konsequenzen, kann dies insbesondere dann ärgerlich sein, wenn die Fahrt auf dem Friedhof endet. 

Ende einer Polizeiflucht auf dem Friedhof

In der zu dem Bild gehörenden „Situations- und Tatbeschreibung“ heißt es, „im Fahrzeug selbst hinterließ der Mann alles, was ihn als Fahrer auszeichnete: seinen Schlüsselbund und seine Geldbörse. Neben den vielen Spuren an den Gräbern dürfte ihn das ebenfalls schwer belasten. Der Pkw wurde letztendlich als Tatmittel beschlagnahmt. Was bleibt, ist eine umfangreiche Liste an Vorwürfen: Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, ein verbotenes Kraftfahrzeugrennen und die Störung der Totenruhe. Außerdem wurde eine Überprüfung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen auf den Weg gebracht.“

Fazit

Wer in eine Polizeikontrolle gerät, sollte ruhig und gelassen bleiben und die Situation nicht durch eine überstürzte Flucht verschlimmern.

Auskunft darüber, was bei einer Polizeikontrolle zu beachten ist gibt der Artikel „Halt, Polizei! Wie verhalte ich mich bei einer Polizeikontrolle?

Worauf es in einem möglichen Verfahren ankommt, wissen die Bußgeldprofis!

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Bildnachweis Friedhof: Kreispolizeibehörde Euskirchen

(Veröffentlichungsdatum: 14.11.2024)

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