Kein Fahrverbot für Fahrradfahrer!

OVG Münster, Beschlüsse vom 05.12.2024, Az. 16 B 175/23; 16 B 1300/23

Das Oberverwaltungsgericht hatte darüber zu entscheiden, ob Verkehrsteilnehmern das Führen von Kraftfahrzeugen (auch Mofas, E-Bikes, E-Scooter, Fahrräder) untersagt werden kann, wenn sie unter Drogeneinfluss ein Fahrzeug geführt haben.

Den Untersagungen lag in einem Fall das Führen eines E-Scooters unter dem Einfluss von Amphetaminen, im anderen Fall das Führen eines Fahrrades mit einer Blutalkoholkonzentration von 2 Promille zugrunde.

Die Eilanträge gegen die Fahrverbote blieben erfolglos!

Die Eilanträge, mit denen sich die Betroffenen gegen das Fahrverbot gewehrt hatten, waren sowohl vor dem VG Düsseldorf (Az. 14 L 2486/22) als auch vor dem VG Gelsenkirchen (Az. 7 L 1617/23) erfolglos geblieben. Vor dem OVG Münster hatten sie Erfolg!

§ 3 Fahrerlaubnisverordnung ist nicht anwendbar!

Die Kläger hatten sich im Klageverfahren insbesondere auf ein Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17.04.2023, Az. 11 BV 22.1234 – gestützt.

Dieser hatte zu klären, ob der Anwendungsbereich des § 3 FeV nur eröffnet ist, wenn die Vorschrift ihrem Inhalt nach nicht das Führen eines fahrerlaubnispflichtigen Kraftfahrzeugs voraussetzt. Er kam dabei zu dem Ergebnis, dass die Anordnung des Verbots, fahrerlaubnisfreie Kraftfahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr zu führen, rechtswidrig war und den Kläger in seinen Rechten verletzte (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Begründet hatte er dies damit, dass die Rechtsgrundlage in § 3 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), zuletzt geändert durch Gesetz vom 2. März 2023 (BGBl I Nr. 56), auf die sich die Untersagungsverfügung stütze, fehle da § 3 FeV gegen die aus dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 bis 3, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) abgeleiteten Gebote der hinreichenden Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit rechtlicher Regelungen verstößt (BVerfG, Beschl. v. 17.7.2003, Az. 2 BvL 1/99)

Die Norm könne daher nicht als Rechtsgrundlage für behördliche Untersagungen herangezogen werden.

Das OVG Münster hat sich dem Bayerischen OVG angeschlossen!

Auch für das OVG Münster stellt die Fahrerlaubnis-Verordnung keine Rechtsgrundlage für ein behördliches Verbot des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge dar, zumal ein solches Verbot die grundrechtlich geschützte Bewegungsfreiheit des Betroffenen erheblich einschränke. Zudem seien fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge in der Regel weniger gefährlich als Kraftfahrzeuge (s.a. OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 20.03.2024, Az.10 A 10971/23.OVG). 

§ 3 FeV berücksichtigt diese Aspekte nicht und regelt insbesondere nicht hinreichend deutlich, wann jemand zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge ungeeignet oder bedingt geeignet ist und wann Eignungszweifel bestehen. An dem Fahrverbot, d.h. der Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge, kamen die Beschwerdeführer damit vorbei.

Wer schiebt führt nicht!

Ungeachtet dessen und der Vollständigkeit halber, sei an dieser Stelle aber darauf hingewiesen, dass das Fahren alkoholisiertem Zustand auch mit einem Fahrrad untersagt ist. Der Begriff des Führens eines Fahrzeugs im Sinne von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV deckt sich mit dem des § 316 StGB und des § 24a StVG.

Nur wer auf einem rollenden Fahrrad sitzt, führt es; das Schieben eines Fahrrads erfüllt hingegen nicht den Begriff des Führens (Verwaltungsgericht Köln, Beschl. v. 14.11.2024, Az. 6 L 1821/24). Dies hatte auch der Bundesgerichtshof so gesehen, als er in einer Entscheidung vom 20.05.1969 feststellte, dass nur derjenige ein Fahrzeug führt, der das sich selbst bewegende Fahrzeug lenkt (Az.  1 StR 159/69)

Das bloße Anlassen des Motors oder das Sitzen hinter dem Lenkrad (ggf. in betrunkenem Zustand) bei laufendem Motor (OLG Hamm, Beschl. v. 02.09.1983, Az. 4 Ss 992/83), gelten übrigens ebenso wenig als „Führen“ eines Fahrzeugs, wie das Herausrangieren eines Kraftrades mit den Beinen aus einer Parklücke, damit ein anderer damit wegfahren kann (BayObLG, Beschl. v. 22.02.1988, Az. RReg. 1 St 334/87). 

Fazit

Die Entscheidungen zeigen, dass es Normen mitunter an der hinreichenden Bestimmtheit fehlt, wie sie für eine klare Regelung erforderlich ist. 

Sollten Sie von einem Bußgeldbescheid oder einer anderweitigen Verfügung betroffen sein, kontaktieren Sie uns!

Wir prüfen den Fall und regeln das für Sie! 

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(Veröffentlichungsdatum: 11.12.2024)